Neugeborene, Säuglinge und Kinder weisen anatomische und physiologische Unterschiede zu erwachsenen Patienten auf. Die anatomischen und physiologischen Besonderheiten pädiatrischer Patienten werden dir hier zusammengefasst. Diese können Notfallsituationen zu Problemen führen. Notfallsanitäter, Rettungssanitäter und Notarzt sollten diese anatomischen und physiologischen Besonderheiten kennen, um in einer Notfallsituation Strategien zur Problemlösung abrufen zu können.
Die Patientenbeurteilung von Kindern unterscheidet sich von der Patientenbeurteilung von Erwachsenen. Nutze das Pädiatrische Beurteilungsdreieck und das KASPERLE-Schema in der Anamnese. Anatomische und physiologische Besonderheiten pädiatrischer Patienten spielen eine wichtige Rolle bei Maßnahmen, die durch Notfallsanitäter und Rettungssanitäter getroffen werden.
Atemwege und Atmung #
- Neugeborene und junge Säuglinge sind Nasenatmer. Schwellungen und Sekret können zu einer erschwerten Atmung führen.
- Die Nasengänge sind eng.
- Die überproportional große Zunge erhöht die Gefahr der Verlegung der Atemwege.
- Der Larynx liegt im Vergleich zum Erwachsenen höher.
- Die Epiglottis ist U-förmig.
- Die Trachea ist sehr kurz, was die Gefahr einer zu tiefen Intubation birgt.
- Die Schleimhäute sind in den oberen und unteren Atemwegen extrem empfindlich und reagieren selbst bei kleinen Reizungen.
- Der O2-Bedarf ist deutlich erhöht und wird durch eine hohe Atemfrequenz erreicht.
- Der Atemwiderstand ist höher.
Empfehlungen Atemweg und Atmung #
- Zum Freimachen der Atemwege muss der Unterkiefer angehoben und der Kopf mäßig rekliniert werden.
- Vorsicht mit Atemwegshilfen wie Guedel-Tubus und SGA
- Vorsicht mit der Magillzange beim Versuch Fremdkörper zu entfernen.
- Die Auskultation zum Seitenvergleich nach der Intubation ist erschwert! Achte auf die Tubusmarkierung.
- Die Cuffdruck-Kontrolle ist obligatorisch!
- Nutze die Maske in der passenden Größe zur Beatmung! Der Totraum wird deutlich vergrößert, wenn eine zu große Maske gewählt wird.
- Bei der Beatmung sollen Thoraxbewegungen zu erkennen sein.
Wasser- und Elektrolythaushalt #
- Wassergehalt und Wasserumsatz sind bei Neugeborenen und Säuglingen deutlich erhöht.
- Flüssigkeitsvorrat im Verhältnis zur Körperoberfläche ist geringer als beim Erwachsenen.
- Die Nierentätigkeit bei Neugeborenen ist eingeschränkt.
Empfehlungen Wasser- und Elektrolythaushalt #
- Jedes Volumen muss mit Hilfsmitteln berechnet und dokumentiert werden.
- Suche nach Anzeichen einer Exsikkose (auch Fontanelle begutachten)
Herz-Kreislauf-System und Blut #
- Das Herz von Neugeborenen und Säuglingen ist relativ groß
- Kinder kompensieren Volumenverluste über längere Zeit gut, dekompensieren aber plötzlich und massiv.
- O2-Mangel führt schnell zur Bradykardie.
- Parasympathische Stimulation wirkt stärker.
- Der Blutdruck bei Kleinkindern ist wenig aussagekräftig.
- Das Blutvolumen pro kgKG ist größer, insgesamt aber deutlich kleiner.
- Der normale Blutzucker-Wert bei Kindern ist niedriger:
- Neugeborene 50-60 mg/dl
- Kinder 70-100 mg/dl
Empfehlungen Herz-Kreislauf-System und Blut #
- Engmaschiges Monitoring beim kritisch kranken Kind mit Fokus auf SpO2, Herzfrequenz und Recap-Zeit.
- Verzichte auf eine Blutdruck-Manschette. Der Wert ist nicht aussagekräftig und die Manschette ist unangenehm. Stress erhöht den Sauerstoffbedarf. Nutze stattdessen die Recap.
- Unterschätze Blutungen bei Neugeborenen und Kleinkindern nicht.
Allgemeines #
- Der Kopf von Neugeborenen und Säuglingen ist überproportional groß, im Vergleich zum Rest des Körpers. In den ersten Monaten ist die Halsmuskulatur schlecht ausgeprägt.
- Neugeborene überleben nach ihrer Geburt zunächst durch verschiedene Reflexe. Zielgerichtete Bewegungen und Handlungen sind nicht möglich.
- Viele motorische Fähigkeiten werden erst in den fortschreitenden Lebensmonaten erworben.
Zusammenfassung #
Kenne die anatomischen und physiologischen Besonderheiten von Neugeborenen, Säuglingen und Kindern. So kannst du im Kindernotfall adäquat reagieren. Kontrolliere den Patientenzustand engmaschig. Nutze dafür das Pulsoximeter, die Recap-Zeit und deine Augen. Der Blutdruck ist ein Parameter der bei Kindern wenig aussagekräftig ist.
Merke: Nutze Merkhilfen, damit du die Normwerte deines Patienten einschätzen kannst.
Zur Beurteilung eines pädiatrischen Patienten eignet sich besonders das Pädiatrische Beurteilungsdreieck. Kennst du die anatomischen und physiologischen Besonderheiten pädiatrischer Patienten?
Quellenangaben #
- Flake, F. & Scheinichen, F. (2019). Kindernotfälle im Rettungsdienst. In Springer eBooks. https://doi.org/10.1007/978-3-662-58073-8
- Heranwachsen und Altern. In: retten – Anatomie Physiologie. 1. Auflage. Stuttgart: Georg Thieme Verlag KG; 2023.