In Deutschland sind vor allem die Sichtungsalgorithmen mSTART und PRIOR bekannt. Die nun vorgestellte Ten second triage, kurz TST, geht einen anderen Weg als die herkömmlichen Sichtungsalgorithmen, wie zum Beispiel MSTART oder PRIOR. Das Ziel ist eine Triage der Patienten, welche nicht länger als 10 Sekunden pro Patient dauert.
Entwickelt wurde das TST 1 von der NHS. Es handelt sich dabei um das öffentliche Gesundheitswesen in Großbritannien. Bisher kommt in England das Major Incident Triage Tool (MIIT) 2 zum Einsatz. Das Sichtungsschema ähnelt dem in Deutschland recht beliebten mSTART. Es basiert auch Vitalparametern.
In einer Untersuchung hat die NHS festgestellt, dass für die erste Sichtung mittels MIIT zu viel Zeit verloren geht. Außerdem ist die Ermittlung der Vitalparameter während eines Massenanfalls von Verletzten nur bedingt zu leisten. Mit diesem Hintergrund ist die Ten Second Triage entwickelt worden. Das Ziel dabei war die schnellstmögliche Sichtung im Rahmen eines MANV.
Ten Second Triage (TST) #
Das Ziel des Ten Second Triage ist eine Vorsichtung des Patienten in weniger als 10 Sekunden. Dafür setzt das TST nicht auf Vitalparameter, sondern auf einfache Optionen. Auch wenn das TST vor allem durch nicht-ärztliches Fachpersonal ausgeführt werden soll, ist das System so gehalten, dass auch nicht-medizinische Anwender damit umgehen können.
Vorgehen #
Wie beim bekannten mSTART werden alle gehfähigen Patienten als Grün eingestuft. Erst danach erfolgt die Suche nach einer schweren Blutung. Die Nomenklatur wurde bewusst von katastrophaler Blutung zu schwerer Blutung geändert, um auch Nicht-Sanitätspersonal das Sichtungsschema verständlich zu eröffnen. Im Fall einer solchen Blutung wird die Blutung mittels Druck, Tourniquet oder Woundpacking gestillt und der Patient als Rot eingestuft.
Ist der Patient ansprechbar erfolgt eine Kontrolle auf penetrierende Verletzungen im Hals-, Thorax-, Abdomen- und Beckenbereich. Dabei wird sowohl die Patientenvorderseite, wie auch die Patientenrückseite kontrolliert. Ist eine entsprechende Verletzung vorhanden wird der Patient als Rot eingestuft. Ist keine entsprechende Verletzung vorhanden, wird der Patient der Kategorie Gelb zugeteilt.
Sofern der Patient nicht ansprechbar ist, erfolgt eine Atemkontrolle. Sowohl beim atmenden Patient, als auch beim nicht atmenden Patient wird dieser in die Stabile Seitenlage gebracht. Atmet der bewusstlose Patient, wird dieser als Rot eingestuft. Atmet der Bewusstlose Patient nicht, wird dieser in eine neue, silberne Kategorie eingestuft. Zum einen soll durch den Ausführenden kein Tod festgestellt werden, zum anderen besteht bei entsprechenden Vorhandenen Ressourcen die Möglichkeit eine Reanimation einzuleiten.
Vergleich zu deutschen Systemen #
In Deutschland ist der mSTART-Algorithmus wahrscheinlich das am meisten verbreitete und eingesetzte System. Im Gegensatz zum MITT erfolgt beim mSTART-Algorithmus nur die Bewertung der Atemfrequenz, dennoch muss zumindest ein Vitalparameter erhoben und ausgewertet werden.
Der PRIOR-Algorithmus3 welcher im Auftrag des Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) entwickelt wurde, spricht hingegen von einer deutlichen Atemfrequenz-Störung, einem fehlenden Radialispuls sowie einer verlängerten Rekapilisierungszeit.
Beide Algorithmen lassen sich auch durch geübte und geschulte Anwender nicht in unter 10 Sekunden durchführen. Hier scheint der Ten Second Triage Algorithmus zeitlich deutlich überlegen zu sein.
Zusammenfassung #
Der vorgestellte Ten Second Triage Algorithmus wurde durch die NHS entwickelt. Dieser soll eine deutliche schnellere Vorsichtung der Patienten bei einem Massenanfall von Verletzten ermöglichen. Ziel ist es mehr lebensbedrohliche Blutung und verlegte Atemwege zu identifizieren und einer direkten Behandlung zuzuführen.
Das Ergebnis ist ein einfacher und gut handhabbarer Algorithmus. Neu ist die Kategorie der silbernen Patienten. Durch den Verzicht auf die Erhebung von Vitalparametern wird der Aufwand pro Patient deutlich minimiert.
In der Szene der Taktischen Medizin hat der Ten Second Triage Algorithmus bereits kurz nach Veröffentlichung einiges an Aufmerksamkeit erregt. In diesem Umfeld ist die schnelle Sichtung von besonderer Bedeutung. Aber auch im zivilen Umfeld kann eine schnelle Sichtung bei großer Patientenanzahl eine besondere Bedeutung bekommen.
- Vassallo, J., Cowburn, P., Park, C., Bull, D., Harris, S., Moran, C. G. & Smith, J. (2023). Ten second triage: A novel and pragmatic approach to major incident triage. Trauma, 146040862311562. https://doi.org/10.1177/14604086231156219
- Vassallo, J., Moran, C. G., Cowburn, P. & Smith, J. E. (2022). New NHS Prehospital Major Incident Triage Tool: from MIMMS to MITT. Emergency Medicine Journal, 39(11), 800–802. https://doi.org/10.1136/emermed-2022-212569
- PRIOR – Primäres Ranking zur Initialen Orientierung im Rettungsdienst. (o. D.). BBK. https://www.bbk.bund.de/