Seit 2015 finden sich in den ERC Guidelines klare Empfehlungen für das Vorgehen bei einem traumatischen Kreislaufstillstand. In den aktuellen ERC Leitlinien 2021 wurden diese weiter konkretisiert. Sofern ein Kreislaufstillstand vermutet wird, weicht das Vorgehen vom klassischen ALS-Algorithmus ab. Der Fokus liegt hierbei auf der Behandlung der reversiblen Ursachen. Diese haben sogar Vorrang vor den Thoraxkompressionen.
Den Trauma-Algorithmus aus den ERC-Guidelines 2021 ist hier abgebildet:
Trauma-Algorithmus beim richtigen Patienten einsetzen #
Eine Traumareanimation liegt vor, wenn der Kreislaufstillstand durch das Trauma verursacht wurde. Es kann Unfälle geben, denen zwar ein Kreislaufstillstand zugrunde liegt, die aber nicht traumatisch sind. Kollabiert der Autofahrer am Steuer aufgrund eines Herzinfarkts und ist aufgrund des Kontrollverlusts in einen Unfall verwickelt, liegt die Ursache des Kreislaufstillstands nicht im Trauma.
Um vom ALS in den Trauma-Algorithmus zu wechseln, müssen Verletzungsmuster und Situation die Vermutung zulassen, dass ein traumatischer Kreislaufstillstand vorliegt.
Behandlung der reversiblen Ursachen #
Bei den 4H und HITS handelt es sich um die reversiblen Ursachen eines Kreislaufstillstands. In diesen finden sich auch die reversiblen Ursachen eines traumatischen Kreislaufstillstands. Die gleichzeitige Beseitigung der reversiblen Ursachen beim traumatischen Kreislaufstillstand hat Vorrang vor allen weiteren Maßnahmen. Das gilt auch für Thoraxkompressionen. Das Akronym SHOT(S) stellt eine Merkhilfe für die reversiblen Ursachen des traumatischen Kreislaufstillstands dar.
Thoraxkompressionen #
Die Behandlung der reversiblen Ursachen hat Vorrang vor den Thoraxkompressionen? Diese Aussage bietet viel Spielraum für Diskussionen und verschiedene Ansichten. Der Algorithmus lässt hier etwas Spielraum zu.
Gehen wir allerdings davon aus, dass der Patient einen traumatischen Kreislaufstillstand erlitten hat, sind Thoraxkompressionen ineffektiv. Gemäß des Spruchs Don’t pump an empty heart, müssen erst alle Voraussetzungen erfüllt werden, dass diese effektiv sein können.
Die Behandlung der reversiblen Ursachen soll gleichzeitig erfolgen. So brauchen wir bei der Behandlung eine Vielzahl an Einsatzkräften. Liegt ein Spannungspneumothorax vor, ist der Effekt von Thoraxkompressionen nicht gegeben. Bis der Spannungspneumothorax therapiert wurde. Gleiches gilt für die Hypovolämie und Co.
Somit sind Thoraxkompressionen zu vernachlässigen, damit schnellstmöglich alle reversiblen Ursachen durch das Team behandelt wurden.
Hypovolämie #
Gemäß dem Motto Don’t pump an empty heart! sind Thoraxkompressionen überflüssig, wenn es nicht ausreichend Volumen zum Sauerstoff-Transport gibt. Aus diesem Grund müssen massive, äußere Blutungen durch einen Verband, Hämostyptika oder Tourniquet gestillt werden. In der Reanimations-Situation ist die direkte Verwendung eines Tourniquet angemessen.
Durch den Einsatz einer Beckenschlinge kann versucht werden massive, innere Blutungen im Becken zu kontrollieren.
Bei Verdacht auf Hypovolämie sollen zeitnah Blutprodukte zum Einsatz kommen. Sofern diese in der Präklinik nicht zur Verfügung stehen, kann das Volumen mit Kristalloiden Lösungen ergänzt werden. Auch der Einsatz von Tranexamsäure sollte bedacht werden.
Als Zugangsweg bietet sich der intraossäre Zugang an. Bei Verdacht auf Frakturen der unteren Extremitäten oder des Beckens verbietet sich die Anlage an der Tibia. Hier ist als erstes Punktionsort der Humerus zu wählen.
Hypoxie #
Auch wenn als Ursache ein traumatischer Kreislaufstillstand vermutet wird, hat die Atemwegssicherung und die Applikation von hochprozentigem Sauerstoff einen hohen Stellenwert. Einzig die Kontrolle von massiven internen und externen Blutungen stehen über der Sicherung des Atemwegs.
Die Atemwegssicherung soll gemäß des ALS-Algorithmus erfolgen. Die endotracheale Intubation soll nur von einem geübten Anwender durchgeführt werden. Bei Verletzungen im Gesicht und Halsbereich kann die endotracheale Intubation Vorteile gegenüber extraglottischen Atemwegshilfen haben.
Herzbeuteltamponade #
Bei Verdacht auf eine Herzbeuteltamponade muss das Perikard sofort dekomprimiert werden. Mittels Sonografie lässt sich eine Perikardtamponade auch präklinisch diagnostizieren.
Techniken zur Komprimierung sind eine Notfallthorokotomie oder eine ultraschallgeführte Perikardpunktion.
Spannungspneumothorax #
Bei einem TCA wird der Thorax beidseitig entlastet. Im Idealfall mit einer Thorakotomie, alternativ natürlich mit einer Nadeldekompression. Die Nadeldekompression ist eine Maßnahme, die durch den Notfallsanitäter beherrscht wird.
Sofern ein konkreter Verdacht auf einen Spannungspneumothorax aufgrund einer klinischen Untersuchung oder Ultraschall-Untersuchung besteht, hat die Dekompression Vorrang vor anderen Maßnahmen.
Zusammenfassung #
Der traumatische Kreislaufstillstand ist selten. Der Algorithmus weicht vom standardisierten ALS-Algorithmus ab. Der Fokus liegt auf der Behandlung der reversiblen Ursachen.
Ein traumatischer Kreislaufstillstand sollte im Rahmen von Fortbildungsveranstaltung thematisiert und trainiert werden.